Keine Zeit für Diplomatie?
Warum Energie? Warum Erneuerbare Energien? Warum ein Energiedorf? Warum ein konkretes Projekt? Warum neue Unterrichtsmodelle? Warum ein neues Wassermanagement? Warum Dezentralisierung unserer Lebensbedürfnisse?
Die größte Utopie unserer heutigen Zeit besteht in der Annahme, wir könnten in der heutigen Form in den Industrieländern unseren Konsum erhalten oder weiter steigern und diesen Lebensstandard auch in die Entwicklungsländer exportieren. Moderne Technik soll es richten und dennoch kommen uns seit Jahrzehnten gravierende Zweifel über die Belastbarkeit von Mensch und Umwelt.
Die Statitiken über die Umweltphänomene des Planeten wie Bodenerosion, Klimaveränderungen, Waldsterben, Verschmutzung der Meere, Wassermangel und Desertifikation machen Angst. Sie bleiben aber in ihrer Aussage so unvorstellbar, daß es fast jedem gelingt, sich über die Diskussion der Signifikanz der Werte in eine ruhige Zone des weiteren Forschens und Nachdenkens zurückzuziehen und Verantwortung zu fragmentieren.
Haben wir noch genügend Zeit weiter zu forschen, nachzudenken, zu finden und zu entscheiden?
Entscheidungen über den richtigen Weg, als Mensch auf diesem Planeten glücklich zu leben und trotzdem dem Mitmenschen gleiche Möglichkeiten zu lassen, hängen nicht von statistischen Werten und wissenschaftlichen Beweisen ab. Auch ohne definierte "Wahrheiten" für oder gegen die Klimaveränderung können wir Richtungen wählen, unser Verhalten als Mensch ist von Beweisen unabhängig und so kann allein der Verdacht einer Umweltschädigung zu neuen Wegen genutzt werden.
Modernste Technik erhöht die Varianz unserer Möglichkeiten, sie zu verteufeln ist purer Unsinn. Allein das Wissen und Erleben der Optionen kann als Basis der Entscheidungen genügend Raum für zukunftsorientierte und fundierte Beweggründe dienen.
Warum Energie?
Unser Denken, die Bewegungen des Körpers, alltägliche Verkehrsmobilität, Hauswärme im Winter, Informationsmedien und Kommunikation - keine unserer Lebensäußerungen ist ohne eine gezielte Zuführung von Energie in adäquater Form möglich. Nahrungsenergien scheinen uns in den Industrieländern in unbegrenzter Menge zur Verfügung zu stehen, denn Bodenerosion und erst recht die Vorgänge der Bodenneubildung sind in den Städten nicht zu beobachten. Alle weiteren benötigten Energien decken wir konsequent mit Hilfe fossiler Energien oder ganz modern mit Atomkraft. Störfälle liegen meist außerhalb der direkten Beobachtung und werden uns wie vieles nur über medienvermittelte Meßwerte nahegelegt. Es gab schon autofreie Sonntage und verstrahlte Pilze und Blaubeeren, aber im Moment scheint der Benzinpreis die Zulässigkeit des "weiter so..." zu rechtfertigen.
Mit viel Energie erkaufen wir uns viel freie Zeit und benötigen erneut Energie, diese Zeit extrem sportlich oder virtuell totzuschlagen.
Der Verlust an Energie und Zeit sind schon seit Jahrzehnten bekannter Maßen an die Grenzen des Wachstums geraten. Nur diese Grenzen bestehen erneut aus Meßdaten und Kurven und nur ganz selten erreichen die Meßdaten über die Arbeitslosenzahlen dann doch unsere Emotionen, oder besser direkt die zur Verfügung stehende private Geld-Zeit-Konsum-Spaß-Menge.
Warum Erneuerbare Energie?
Energie ist eigentlich unzerstörbar, unverbrauchbar. Nur fossile, gelagerte Energien können aufgebraucht werden. Sie sind im Verhältnis heutiger exzessiver Nutzung zur strukturbedingten nur langsamen Neubildung endlich, da unser Planet ein endliches, abgeschlossenes System ist, jedenfalls in bezug auf alles, was er eingelagert hat.
Zu den grundsätzlichen Strategien der natürlichen Systeme gehören Kreisläufe, die auf der Sonnenenergie basieren und die benötigten Stoffe wiederverwenden. Die Photosynthesegleichung ist DIE Erfindung des Lebens:
Wasser und Kohlendioxid werden zu Zucker und Sauerstoff
Alle grünen Pflanzen beherrschen diese Form der Energiegewinnung. Sie nehmen das Wasser über ihre Wurzeln aus dem Boden auf, das Kohlendioxid über ihre Blätter aus der Luft und erzeugen mit Hilfe der Sonnenenergie Zucker, also pure Energie, für ihren eigenen Bedarf. Die Sonnenenergie steckt gespeichert in jedem Zuckermolekül. Den Zucker können Pflanzen in Früchten speichern oder in Stärke umwandeln und diese aufbewahren.
Der Mensch nutzt dieses Naturwunder als Konsument des Abfalls Sauerstoff und als Dieb der Früchte und Knollen. Die Überproduktion an Früchten betreiben die Pflanzen zur Verbreitung ihrer Samen, die durch den Darm der Tiere und Menschen verschleppt werden. Schon die Kartoffeln sind echtes Diebesgut. Wir Menschen sind abkömmlich und nur unser Kot und als Leichen sind wir für die Pflanzen als Stofflieferant von Interesse, aber nicht notwendig.
Geologische und geomorphologische Vorgänge können Pflanzen und mit ihnen die gespeicherte Energie für erdgeschichtlich variable Zeiten fossilisieren. Torf, Kohle, Erdgas und Erdöl sind so nur gespeicherte Photosynthese- oder deren Abbauprodukte vergangener Erdzeitalter und ihrer Pflanzen.
Alle Speicherprodukte müssen bei nicht nachhaltiger Nutzung entstehungsbedingt endlich sein und es ist sinnlos, sich über Jahrzehnte darüber zu streiten, wann sie endgültig aufgebraucht sein werden.
Erneuerbare Energien können nur die Photosynthese, die direkte Nutzung der Sonneneinstrahlung oder indirekte Sonnenenergie wie Wind und Gezeiten liefern! Allein ihr Gebrauch unterliegt bis zum Tod unseres Sonnensystems keiner Beschränkung und basiert auf vom Leben zu beherrschenden Temperaturen und chemischen sowie physikalischen Grundprinzipien.
Die Sonne und ihren Fusionsprozess selbst zu kopieren, versucht das Paradies zu beherrschen. Die Erkenntnis von Grenzen zu negieren ist modern und doch sehr alt. Alle Märchen und Religionen dieser Welt erzählen von diesen Versuchen.
Zwischen dem Ptolemäischen und dem Kopernikanischen Sonnensystem besteht nicht eine erkenntnistheoretische Wahrheit sondern der wesentliche Unterschied, daß eins sich leichter berechnen läßt. Die Entscheidung für Kopernikus ermöglichte die Landung auf dem Mond.
Solar- und Windenergienutzung greifen beherrschbare, natürliche Strategien auf und ermöglichen auf dieser Basis Zukunft, die keinesfalls mittelalterlich sondern hochmodern aussehen wird.
Warum ein Energiedorf?
Erneuerbare Energien sind in Statistiken, Medien, Meinungen und Broschüren präsent. In der Landschaft, soweit sie durchfahren oder photographiert wird, werden sie wahrgenommen und mit Vorurteilen belegt. Der Stadtmensch erhält seine Energie weitgehend emmissions- und lärmfrei aus der Steckdose, hat aber trotzdem eine mediengebildete Meinung zu allen Themen unserer Zeit.
Ein Dorf liegt mitten in der Landschaft, in der Natur. Ein Dorf ist überschaubar. Ein Dorf ist auch für ungeübte Wanderer durchgehbar. Ein Dorf ist eine soziale Einheit, die ursprünglich energetisch autark leben konnte und kann.
Diese strukturellen Bedingungen ermöglichen Erfahrungen, die weiten Teilen der Bevölkerung heute nicht mehr zugänglich aber von weitreichender Konsequenz sind. Die Fragmentierung von Verantwortung ermöglicht es den Individuen unserer Gesellschaft, sich weiter so zu verhalten, als gäbe es nicht die ökologischen Probleme, Bedenken und Warnungen: jeder, also keiner ist Verursacher und doch verantwortlich.
In einem Dorf kann die Schönheit der Natur überschaubar verknüpft werden mit modernen technischen Erhaltungslösungen, die Energieautarkie und Wassermanagement als kardinale Elemente der menschlichen Tätigkeiten beachten. Die verwendeten Lösungsansätze können nur intelligent, aber keinesfalls überdimensioniert gigantoman sein. Damit bleiben sie in das Leben des einzelnen Bürgers übertragbar und können vom Ansatz her Verhaltensmodifikationen und damit bewußte Verantwortlichkeit ermöglichen.
Das Energiedorf soll Spaß, Mut und Zukunft verknüpfen.
Warum ein konkretes Projekt?
Statistiken und Papier machen Angst, aber keinen Mut zur Zukunft. Ein erfolgreiches, sich ständig weiterentwickelndes Projekt, welches konkret zu beleben und zu erleben ist, bleibt stets greifbar, erfahrbar zukunftsorientiert. Die Flucht junger Menschen in virtuelle Welten, in denen sie spielend Probleme lösen, die so alt wie die ältesten Legenden sind, kann nicht die Antwort auf unserer drängenden Probleme der Zeit sein. Computerspiele können helfen Fragen zu beantworten, vielleicht auch Irrwege zu vermeiden. Sie können Lernen unterstützen, dürfen aber die Realität nicht ersetzen, da sie stets nur Modelle bleiben, die nicht alle Elemente der Natur und unserer modernen Umwelt repräsentieren.
Der Modellcharakter erzwingt die Einschränkung auf kognitive Strukturen. Die Zumutung und Anmutung der real erlebten Natur und Technik ist nicht enthalten in virtuellen Welten. Ob der Lärm des Gesangs einer Nachtigal oder eines energieerntenden Windrades als wunderschön, angenehm, zumutbar oder störend empfunden oder beurteilt wird, kann nur in der orginalen Begegnung erlebt werden.
Die Schönheit der Natur durch eigenes Handeln konkret zu schützen sowie durch bewußtes Verhalten und die Suche nach erhaltenden neuen Techniken zu beleben, soll im Energiedorfprojekt am Objekt kognitiv, emotional und instrumentell erlernbar sein.
Warum neue Unterrichtsmodelle?
Orginale Begegnung und entdeckendes Lernen sind keine neuen Unterrichtsmodelle. Ihr pädagogischer Wert und ihre Erfolge sind unumstritten. Sie bedürfen aber der Geduld, Ruhe und Zuversicht in die Fähigkeit der Kinder und Jugendlichen, sich mit ihrer Welt entdeckend und aktiv konstruktiv auseinanderzusetzen. Schnellerworbenes hochspezialisiertes Wissen ist heute nicht nur schnell veraltert, sondern auch leicht flüchtig. Grundsätzliche Einstellungen und Normen werden nur bei gleichzeitig vorhandener Motivation und aktiver Annahme der Probleme erworben. Das eigene spielerische Entdecken der Möglichkeiten, offene Fragestellungen und offene Lösungen, die mitgestaltet werden können, verknüpfen neues Verhalten, Verantwortlichkeit, Technik und Zukunft.
Im Energiedorf sollen nicht nur die Präsenz der Natur und Technik genutzt werden, sondern auch alle Medien zur Verfügung stehen. Die Korrespondenz zwischen der Begegnung mit der Natur, dem direkten Erleben Erneuerbarer Energietechnik und genauer Sachinformation, ermöglicht über die orginale Begegnung, die individuelle Frage und Position zu finden.
Warum ein neues Wassermanagement?
Energie kostet Wasser. Die Energie- und die Wasserprobleme der Erde sind aufs engste miteinander verknüpft. Die Bereitstellung von Energie über Kohlewaschen, Kondensationskraftwerke, Kühlung, Druckerzeugung usw. verbraucht über 80% unseres Wassers. Damit ist die zweite elementare Notwendigkeit unseres Lebens von Verknappung, Statistik, Unsicherheit und sogar Krieg bedroht. Der evidente Zusammenhang zwischen Energie und Wasser im technischen wie im natürlichen Geschehen machen beide Themen zu einem notwendigen Einstieg für eine grundlegende Positionierung. Auch beim Wasser sind es überschaubare Strukturen, die in einem Dorf sichtbar und verständlich erfahrbar gemacht werden können. Von einfacher traditioneller Brunnentechnik bis zu modernem Management im Einfamilienhaus mit der Trennung zwischen Trink- und Grauwasser, mit Regenwasserzisternen und wasser- und energiesparenden Elektrogeräten sind notwendige Erfahrungen grundlegend für die lebenslange Bereitschaft des nachhaltigen Wirtschaftens. Eine Verknüpfung von naturnaher, wasserwirtschaftlich modern strukturierter Landschaft mit dem Anbau nachwachsender Biomasse und der Energiegewinnung aus ihr, macht Beziehungen zwischen erlebnisorientierter Freizeit und nachhaltiger Erwirtschaftung der Energiebedürfnisse deutlich.
Warum Dezentralisierung unserer Lebensbedürfnisse?
Die Konzentration unseres Lebens in immer größeren Stadtstrukturen, die zunehmend zu ganzen Stadtbändern zusammenwachsen, benötigen Stoff- und Energieströme, die außer Kontrolle geraten. Transport, Mobilität, Wohnen, Arbeiten, Grundversorgung, Bildung und Kultur, Freizeitbedürfnisse und Erholung sind strukturell so miteinander verknüpft, daß sie sich gegenseitig stören oder unmöglich machen. Bereits am Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts entstanden Ideen der Gartenstadt und Dekonzentration der Stadtagglomerationen. Stets neue Versuche über NewTowns, Ville Nouvelle und weitere Konzepte zeigen exemplarisch Lebensmöglichkeiten auf, die Konzentrationsprobleme verhindern, ohne Qualität zu zerstören.
Die drängenden Probleme im Energie- und Wasserbereich erzwingen nun weitere Konzepte, die sich der Landschaft allgemein annnehmen. Eine Energieversorgung, die wasserwirtschaftlich nachhaltig ausgerichtet ist, ist in kleineren dezentralen Einheiten mit Erneuerbaren Energien zu realisieren. Eingebettet in diese Konzepte können kleinere strukturelle Einheiten städtischer Strukturen entstehen, die einer Wiederbelebung der Landschaft dienen und mehr Lebensqualität für ihre Bewohner bieten. Dies bedeutet keineswegs Verzicht oder Rückkehr zu mittelalterlichen Lebensformen. Vielmehr soll unter Verwendung moderner technischer Lösungen gesunde Lebensqualität wieder erreicht werden und Mobilität unter Beachtung der Nachhaltigkeit und besonders der Reduktion der notwendigen Stoffströme neu gedacht werden.
Diese Formen des Energie- und Wassermanagements und der Lebensstrukturen sind übertragbar und sollten in eine welteite Allmende des Wissens und der Technik überführt werden.
Keine Zeit für Diplomatie?
Doch! Angst und Zwang sind schlechte Lehrmeister, auch wenn Kriege um Öl bereits Realität sind. Es gibt keine Kinder, die nicht lernen wollen - eine uralte Erfahrung, die nicht nur von Reformpädagogen immer wieder gemacht werden konnte. Bei allen Unterschieden der individuellen Bedürfnisse sind Menschen immer wieder solidarisch in ihrem Verhalten zueinander. In Anerkennung des Postulats der Gleichheit, trotz naturgemäß gegebener Ungleichheit der ökologisch-ökonomischen Bedingungen für Individuen und Völker, hat die Forderung nach Gerechtigkeit für alle heutigen und zukünftigen Gesellschaften Evidenz. Die notwendige globale Entscheidung zwischen Freiheit, als Wirtschaftsliberalismus, und Solidarität, als weltweitem Anspruch gemeinsame Aufgaben und Interessenskonflikte zu lösen, kann auf einer stabilen energetischen Basis, die nicht vom Verbrauch zum Krieg führt, in eine neue philosophisch-politische Entscheidung umgewandelt werden: Freiheit zur Solidarität.
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